Deutscher Geheimdienst: Gericht schränkt Internet-Überwachung ein

Das Bundesverfassungsgericht hat die Internet-Überwachung von Ausländern außerhalb Deutschlands durch den Bundesnachrichtendienst in ihrer aktuellen Form gekippt.
Grundsätzlich könne das Abschöpfen der Kommunikation zwar gerechtfertigt sein, urteilten die obersten Richter am Dienstag in Karlsruhe. Der Auslandsgeheimdienst müsse aber sowohl das Volumen der Daten als auch die geografische Region, die überwacht werde, stärker als bisher eingrenzen. Dafür bekommt der Dienst beziehungsweise der Gesetzgeber bis Ende des kommenden Jahres Zeit. Seit 2016 darf der BND in weit größerem Umfang als in der Vergangenheit Internetknoten in Deutschland anzapfen, um als Teil der strategischen Fernmeldeaufklärung Emails und Telefonate zwischen Ausländern im Ausland auszuforschen. Der DE-CIX in Frankfurt gilt dabei als Internetknoten mit dem größten Datendurchsatz der Welt.
Die Bedrohungen aus dem Ausland hätten erheblich zugenommen, stellten die Richter in ihrem Urteil fest. Die Überwachung der Auslandskommunikation müsse aber “in verhältnismäßiger Weise begrenzt werden”. Dazu erteilte das Bundesverfassungsgericht Auflagen: So müsse der Gesetzgeber klarstellen, dass der BND die Kommunikation von Deutschen aus dem Datenwust herausfiltern müsse und nicht auswerten dürfe. Eine gezielte Überwachung von Journalisten und Rechtsanwälten wiederum sei nur bei belastbaren Verdachtsmomenten gestattet. Würden solche Daten bei der Auswertung entdeckt, müsse abgewogen werden, ob sie genutzt werden dürften. Dies könne der Fall sein, wenn Erkenntnisse für schwere Straftaten vorlägen. Die Auswertung von Kommunikation aus dem “Kernbereich privater Lebensführung, also intimer Gespräche etwa, sei unzulässig. Zudem dürften die abgezapften Daten nicht länger als sechs Monate gespeichert werden, die Löschung müsse kontrolliert werden.
Höhere Schwelle eingeführt
Höhere Hürden stellten die Richter auch für die Weitergabe von Daten an ausländische Geheimdienste auf. Personenbezogene Daten dürfen nur dann übermittelt werden, wenn konkrete Erkenntnisse für schwere Straftaten oder andere gewichtige Gründe vorlägen, entschied das Gericht. Auch eine Weiterleitung entsprechender Informationen durch die Bundesregierung sei nur unter diesen Voraussetzungen erlaubt. Zusätzlich müsse sich der BND vergewissern, dass ausländische Geheimdienste elementare menschenrechtliche Grundsätze einhielten. “Der Staat darf seine Hand nicht zur Verletzung von Menschenrechten reichen”, stellten die Richter klar. Die bisherigen Vorschriften genügten diesen Anforderungen durchweg nicht. Soweit bei besonderen Gefahrenlagen ungefilterte Verkehrsdaten vom BND weitergegeben würden, müssten ausländische Partner die Löschung innerhalb von sechs Monaten zusagen.
Das Grundgesetz lasse dem Gesetzgeber viel Raum, “aktuellen außen- und sicherheitspolitischen Herausforderungen auch mit dem Instrument der strategischen Auslandskommunikationsüberwachung zu begegnen”, sagte der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth, der erst vor wenigen Tagen in sein neues Amt gewählt worden war, bei der Urteilsverkündung. “Zugleich setzt die Verfassung ihm dafür aber gehaltvolle grundrechtliche Grenzen, auch im Verhältnis zu Ausländern im Ausland.” In ihrem Urteil stellten die obersten Richter erstmals klar, dass der Schutz der Grundrechte vor der deutschen Staatsgewalt sich nicht auf das Gebiet der Bundesrepublik beschränkt.
Der BND durchkämmt die von den Internetknoten stammende Kommunikation nach Suchbegriffen, sogenannten Selektoren. Dies können Email-Adressen oder Handy-Nummern, aber auch tatsächliche Wörter sein. Der BND erziele täglich etwa 160.000 Treffer beim Filtern der Kommunikation von Ausländern im Ausland, sagte der Chef des Nachrichtendienstes, Bruno Kahl, in der mündlichen Verhandlung im Januar. BND-Mitarbeiter bewerteten dann, ob sich aus dem Inhalt der Kommunikation oder den beteiligten Personen Hinweise auf eine Gefährdungslage für Deutschland oder schwere Straftaten ergäben.
(Reuters)