Deutschland: Corona-Zahlen auf Rekordhoch – Politik ermahnt Bürger

Deutschland: Corona-Zahlen auf Rekordhoch – Politik ermahnt Bürger
Bild von Alexey Hulsov auf Pixabay

Das Coronavirus breitet sich immer schneller in Deutschland aus. Die Zahl der täglichen Positivtests stieg nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom Donnerstag auf 6683 Neuinfektionen und damit auf ein Allzeithoch seit Beginn der Pandemie.

Das seien rund 1500 mehr als am Tag zuvor. Bund und Länder vereinbarten strengere Einschränkungen vor allem für private Feiern. Diese seien allein in Rheinland-Pfalz für etwa drei Viertel der Neuinfektionen verantwortlich, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). Die Bund-Länder-Beschlüsse vom Mittwochabend stießen teilweise auf Kritik. Der an den Verhandlungen beteiligte Kanzleramtschef Helge Braun räumte ein, die Maßnahmen könnten eine zweite Pandemiewelle nicht abwenden. Ein erstes Gericht kippte in Baden-Württemberg das Beherbergungsverbot für innerdeutsche Urlauber aus sogenannten Risikogebieten.

Die Zahl der an einem Tag gemeldeten Neuinfektionen ist so hoch wie noch nie. Sie ist mit dem Rekordwert von 6294 am 28. März aber nicht direkt vergleichbar. Mittlerweile wird jeden Tag deutlich mehr getestet, so dass auch mehr Infektionen nachgewiesen werden. Auch die tägliche Zahl der mit dem Coronavirus Gestorbenen steigt wieder: Beim RKI gingen 33 Todesfälle ein, nach 43 tags zuvor. In den Wochen zuvor lag die tägliche Zahl nur im ein- oder niedrigen zweistelligen Bereich.

Spahn stellt Weihnachten in Frage

Politiker von Bund und Ländern riefen die Bevölkerung eindringlich auf, sich an Masken- und Abstandsregeln zu halten. “Das entscheiden wir heute, ob Weihnachten in gewohnter Weise stattfinden kann”, sagte Gesundheitsminister Spahn. Er verwies im Deutschlandfunk auf Ostern, als bundesweit empfohlen wurde, auf Verwandtenbesuche zu verzichten. Das wolle er vermeiden, sagte Spahn. “Wir haben es selbst in der Hand.”

Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder hatten am Mittwochabend nach achtstündigen Beratungen schärfere Einschränkungen zur Eindämmung der Pandemie vereinbart. Ein lokales Eingreifen wird nun ab 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in einer Woche empfohlen, etwa durch eine erweiterte Maskenpflicht, Sperrstunden für die Gastronomie und weniger Teilnehmern an privaten Feiern. Verbindlich verabredet sind die Maßnahmen aber erst ab einer Schwelle von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner, die in Deutschland vielerorts bereits überschritten wird. Dort werden etwa private Feiern auf zehn Teilnehmer beschränkt. Wenn der bundesweite Anstieg der Infektionszahlen nicht binnen zehn Tagen gestoppt werde, drohten weitergehende Kontaktbeschränkungen.

Gericht kippt Verbot

Keine gemeinsame Linie fanden Bund und Länder bei Beschränkungen für innerdeutsche Urlaube. Schleswig-Holstein und Niedersachsen etwa halten daran fest, dass Urlauber aus Risikogebieten nur bei Nachweis eines negativen Coronatests in Hotels, Pensionen und Ferienwohnungen beherbergt werden. In Baden-Württemberg kippte nun der Verwaltungsgerichtshof dieses Beherbergungsverbot mit sofortiger Wirkung. Es greife in unverhältnismäßiger Weise in das Grundrecht auf Freizügigkeit ein und sei daher voraussichtlich verfassungswidrig, erklärte das Gericht. (Az. 1 S 3156/20) Es gab damit einem Eilantrag eines Urlaubers aus Nordrhein-Westfalen statt. Auch das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht setzte das Beherbergungsverbot vorläufig außer Vollzug.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte, sein Land habe bereits vor der Gerichtentscheidung entschieden, das Beherbergungsverbot ab Samstag aufzuheben. Rheinland-Pfalz will das Beherbergungsverbot weiterhin nicht umsetzen. Sie halte das Instrument insgesamt nicht für geeignet, sagte Dreyer. “Das geht eigentlich der Mehrheit der Bundesländer so.”

Wirtschaftsverbände wie der Spitzenverband der Arbeitgeber kritisierten die Bund-Länder-Beschlüsse als “in vielen Teilen unklar und unpräzise”. Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina forderte strengere Maßnahmen. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband forderte eine deutliche Ausweitung der Finanzzuschüsse für die Branche. Die Linkspartei verlangte mehr Mitsprache des Bundestages, wenn “über massive Einschränkungen der Grund- und Freiheitsrechte selbstherrlich im Kanzleramt entschieden” werde. Die FDP sprach von einer “Corona-Geheimdiplomatie der Regierungschefs”.

Auch in den Nachbarstaaten Deutschland steigen die Infektionszahlen. Allein in den Niederlanden wurden mehr als 7500 Neuinfektionen binnen 24 Stunden registriert. Bayern stellt dem benachbarten Tschechien Intensivbetten zur Verfügung. In Slowenien wechseln ab Montag die älteren Grund- und alle Oberschüler in den Online-Unterricht. Auch Polen kündigte neue Einschränkungen an. Frankreich erklärte bereits am Mittwochabend den Gesundheitsnotstand und verhängte für mehrere Städte von Samstag an und für zunächst vier Wochen nächtliche Ausgangsbeschränkungen.

(Reuters)


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