Koalition einig: Steuern werden gesenkt, Kurzarbeitsgelder erhöht

Union und SPD wollen die wirtschaftlichen Folgen der Viruskrise mit einem höheren Kurzarbeitergeld und Steuererleichterungen abmildern.
In fast achtstündigen Beratungen beschlossen die Spitzen von CDU, CSU und SPD in der Nacht zum Donnerstag ein weiteres Hilfspaket, das SPD-Chef Norbert Walter-Borjans auf zehn Milliarden Euro bezifferte. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sprach im ZDF von einer “Menge Geld”. Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus beanspruchte für die CDU, sie habe angesichts kostenträchtiger Wünsche von CSU und SPD “aufgepasst, dass die ganze Sache finanziell nicht aus dem Ruder läuft”. Die Grünen kritisierten die Gastronomiehilfen als unwirksam. Die Arbeitgeber lehnen die Erhöhung des Kurzarbeitergeldes ab.
CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer sowie CSU-Chef Markus Söder sprachen in der Nacht von schwierigen Verhandlungen, aber einem guten Kompromiss. “Diese Krise, die schaffen wir nur gemeinsam”, sagte Kramp-Karrenbauer. Die Parteivorsitzenden begründeten die lange Beratungsdauer bis kurz vor 01.00 Uhr morgens mit sehr unterschiedlichen Ausgangspositionen. Die Senkung der Mehrwertsteuer war in der SPD als “vollkommen falsch” abgelehnt worden. Die Sozialdemokraten bestanden ihrerseits auf einer Erhöhung des Kurzarbeitergeldes, was vor allem in der Unions-Bundestagsfraktion auf Vorbehalte stieß.
Kurzarbeitgeld krisenfester machen
Das Kurzarbeitergeld sei ein wichtiger Teil des Sozialstaats, sagte Scholz. Anders als in den USA gebe es deswegen in Deutschland nicht innerhalb weniger Wochen 20 Millionen neue Arbeitslose. “Es wird noch krisenfester gemacht.” In der Regierung wird erwartet, dass Millionen Beschäftigte betroffen sind. Als Folge etwa der Geschäftsschließungen und Lieferunterbrechungen durch die Coronavirus-Krise haben bei der BA bereits über 700.000 Betriebe Kurzarbeit angemeldet.
Bayerns Ministerpräsident Söder beharrte nach Angaben aus Koalitionskreisen auf einer Steuererleichterung für die Gastronomie. “Wir wollten mehr, aber das ist ein Anfang”, twitterte Söder in der Nacht zur Vereinbarung, für ein Jahr die Mehrwertsteuer für Speisen von 19 auf sieben Prozent zu senken. Das sei eine Entlastung von etwa vier Milliarden Euro.
SPD-Chef Walter-Borjans bezifferte das Gesamtpaket auf etwa zehn Milliarden Euro. Davon seien knapp fünf Milliarden Euro Mindereinnahmen für die gesenkte Mehrwertsteuer und etwa vier Milliarden Euro für den vereinfachten Verlustrücktrag von kleinen und mittleren Unternehmen veranschlagt. Rund eine Milliarde Euro Mehrausgaben könne die Erhöhung des Kurzarbeitergeldes und 500 Millionen Euro die Unterstützung des digitalen Unterrichts für Schüler kosten. Unionsfraktionschef Brinkhaus sagte dem RBB mit Blick auf die Zahlen, es mache ihm “langsam ein bisschen Angst, wie viel Geld wir ausgeben für diese Krisenbewältigung, weil die ganze Sache ja hinterher auch irgendwann mal bezahlt werden muss”.
Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer kritisierte die Erhöhung des Kurzarbeitergeldes. Damit würden Erwartungshaltungen an den Sozialstaat befeuert, “die ihn langfristig finanziell völlig überfordern werden”. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt nannte die Gastronomiehilfen unzureichend. “Im Moment nützt die Senkung keiner Gastronomie, sondern erst dann, wenn die Läden wieder aufmachen”, sagte sie zu RTL/ntv.
Details zur Einigung
Im Detail soll das Kurzarbeitergeld – gestaffelt nach der Bezugsdauer – auf bis zu 80 Prozent und für Eltern auf bis zu 87 Prozent erhöht werden. Derzeit zahlt die Bundesagentur für Arbeit (BA) bei Kurzarbeit 60 Prozent und für Eltern 67 Prozent des Lohnausfalls. Die Koalition macht die Erhöhung abhängig von der Dauer der Zwangspause und davon, dass mindestens 50 Prozent der regulären Arbeitszeit ausfallen. Ab dem 4. Monat werden künftig 70 oder 77 Prozent (Eltern), ab dem 7. Monat 80 oder 87 Prozent des Lohnausfalls gezahlt. Das Arbeitslosengeld I werde für Erwerbslose, deren Anspruch zwischen Mai und Dezember 2020 enden würde, zudem um drei Monate verlängert, da sie krisenbedingt geringe Aussichten auf einen neuen Job hätten.
Der Mehrwertsteuersatz für Restaurantspeisen wird vom 1. Juli 2020 bis zum 30. Juni 2021 verringert. Dies bedeute nicht, dass die Gaststätten sofort wieder öffnen könnten, unterstrich Söder. Er rechne zumindest in Bayern um Pfingsten mit Lockerungen. SPD-Chefin Saskia Esken forderte, es müsse auch Direkthilfen für vom Konkurs bedrohte Betriebe geben.
Kleinen und mittelständischen Unternehmen soll die pauschale Verrechnung absehbarer Verluste in diesem Jahr mit Steuervorauszahlungen aus dem Jahr 2019 ermöglicht werden. Die Betriebe erhalten so Erstattungen von den Finanzämtern, was ihnen Liquidität verschafft. Nach derzeitigem Recht könnten sie die Verluste erst im nächsten Jahr geltend machen. Auf eine entsprechende Regelung zum Verlustrücktrag verständigten sich auch die Steuerabteilungsleiter von Bund und Ländern.
Auch Schülern will die Koalition helfen. Bedürftige Schüler sollen einen Zuschuss von 150 Euro für die Anschaffung von Geräten für den digitalen Unterricht zu Hause erhalten.
(Reuters)